OLYMPIA-ERINNERUNGEN

"Gar keine Zeit, mich zu freuen"

Von Till Schwertfeger

Wissen Sie noch, wer Yvonne Bönisch ist? Die 23-jährige Judoka gewann vor rund einem Monat in Athen das erste Olympia-Gold für Deutschland. Mit SPIEGEL ONLINE spricht die Brandenburgerin über Stress im Rampenlicht, Vermarktungsschwierigkeiten und gemeinsame Heiratspläne mit ihrem Trainer.

 
Der 16. August 2004 war der bislang bedeutendste Tag im Leben der Yvonne Bönisch. Im olympischen Finale von Athen besiegte die 23-jährige Judokämpferin in der Klasse bis 57 Kilogramm die Nordkoreanerin Sun Hui Kye und gewann die erste Goldmedaille für die deutsche Mannschaft. Der Erfolg beförderte die unauffällige Ludwigsfelderin vom Universitäts Judo- und Kampfsportclub Potsdam in alle Fernsehstudios und auf die Titelseiten der Zeitungen.


Deutschlands erste Judo-Olympiasiegerin in Athen:
Yvonne Bönisch

Dort erfuhr die Nation unter anderem, dass Yvonne Bönisch ihren fast 20 Jahre älteren Trainer und Lebensgefährten Axel Kirchner liebt, im Sparmarkt ihrer Mutter für 950 Euro im Monat arbeitet und einen Rauhaardackel namens Ronja Gassi führt. Einen besonders glücklichen Eindruck machte die Olympiasiegerin im ungewohnten Rampenlicht allerdings nicht. Die "Süddeutsche Zeitung" spricht der Randsportlerin das Potenzial zum Star ab: "Yvonne Bönisch kann nicht fröhlich sein, schon gar nicht auf Befehl lachen." Sie selbst erklärt: "Der Medienrummel ist nicht so mein Ding."

Der Alltag hat Yvonne Bönisch inzwischen fast wieder eingeholt. Fast. Jetzt ging es zurück nach Griechenland. Vor der Abreise in den "Club der Besten", wo sie mit den anderen deutschen Medaillengewinnern eine Woche Urlaub macht, erzählt sie, wie es sich als Olympiasiegerin lebt.

SPIEGEL ONLINE: Frau Bönisch, was fällt Ihnen zu Christian Klees ein?

Yvonne Bönisch: Der Name sagt mir nichts.


Yvonne Bönisch: "Auf einmal im Rampenlicht"
SPIEGEL ONLINE: Klees war Sportschütze und hat 1996 in Atlanta die erste Goldmedaille für Deutschland geholt. Können Sie sich nicht mehr an ihn erinnern?

Bönisch: Nein, ich war damals erst 15 Jahre alt. Von Atlanta weiß ich nicht mehr viel. Außerdem habe ich immer mehr die klassischen Sportarten verfolgt wie Schwimmen und Leichtathletik.

SPIEGEL ONLINE: Wie vor acht Jahren Klees' war Mitte August nun auf einmal Ihr Foto in allen Zeitungen Deutschlands. Auf einmal hießen Sie nicht mehr Yvonne Bönisch, sondern "Gold-Böny". Werden Sie jetzt als solche auf der Straße erkannt?

Bönisch: Das kommt schon oft vor. Manche gucken nur so und tuscheln, andere sprechen mich direkt an und gratulieren zum Olympiasieg.

SPIEGEL ONLINE: Was glauben Sie, wie lange sich die Menschen an Sie erinnern werden?

Bönisch: Schwer zu sagen. Hoffentlich lange.

SPIEGEL ONLINE: Hat die Goldmedaille Ihr Leben verändert?

Bönisch: Ein bisschen schon. Wen hat denn früher schon Judo interessiert? Aber in Athen hatte Julia Matijass die erste Medaille für Deutschland geholt und ich dann das erste Gold. Da stand ich auf einmal im Rampenlicht und wurde von Termin zu Termin geschickt. Auch jetzt Zuhause komme ich gar nicht mehr richtig zum Training. Immer möchte ich das nicht haben.

SPIEGEL ONLINE: Wie war das, plötzlich berühmt zu sein wie Jan Ullrich oder Franziska van Almsick?

Bönisch: Am Wettkampftag fand ich das unangenehm, weil ich gar keine Zeit hatte, mich zu freuen. Ich wurde direkt von der Judohalle ins erste Studio gebracht und dann ins nächste. Das war ganz schön stressig und der Abend schnell vorbei. Ich hatte gar keine Zeit, selbst zu feiern. Am nächsten Morgen war das "Morgenmagazin" dran, dann gab es eine Pressekonferenz mit mir. Da hatte ich die Schnauze dann voll.

SPIEGEL ONLINE: Die meisten Sportler hätten versucht, Kapital aus ihrem Erfolg zu schlagen. Sie waren eher reserviert.
 


Starke Frau:
"Teilweise überfordert"
Bönisch: Ich bin nach Athen gegangen, um dort toll zu kämpfen. Ich habe nicht darüber nachgedacht, was passieren könnte, wenn ich eine Medaille hole. Deshalb war ich mit der Situation teilweise überfordert, als ich da rumgereicht wurde.

SPIEGEL ONLINE: Bedauern Sie, dass Sie nicht besser auf das Medieninteresse vorbereitet waren?

Bönisch: Wenn ich mich vorher damit beschäftigt hätte, dann hätte ich mich auf der Matte noch mehr unter Druck gesetzt. Ich hoffe aber natürlich, dass trotzdem noch irgendetwas für mich herausspringt.

SPIEGEL ONLINE: Nach Ihrem Olympiasieg hatten sich gleich zwei Manager bei Ihnen gemeldet. Sie hatten an einer Zusammenarbeit aber kein Interesse. Warum?

Bönisch: Die wollten mich wohl vermarkten - aber vor allem immer 20 Prozent Provision kassieren. (lacht) Doch ich habe schon eine Ansprechperson, die mir in solchen Dingen unter die Arme greift. Zusammen bekommen wir das schon ohne fremde Hilfe hin.

SPIEGEL ONLINE: Sie können Ihr Gold also zu Geld machen?

Bönisch: Bei Sport- und speziell Judo-Artikeln versuchen wir, werbemäßig was zu organisieren. Es sind schon einige Firmen an mich herangetreten. Mal sehen, was wir mit denen aushandeln. Aber Judo ist leider selten in den Medien und bietet kaum Werbeflächen. Deshalb ist es für Sponsoren nicht wirklich interessant.

SPIEGEL ONLINE: Finden Sie das ungerecht?

Bönisch: Es ist schade. Nach den vier Medaillen, die unser Verband in Athen geholt hat, hoffe ich natürlich, dass der Judosport vorangebracht wird. Wir Sportler können nicht mehr machen als die Medaillen erkämpfen.

SPIEGEL ONLINE: Von der Sporthilfe haben Sie 15.000 Euro Gold-Prämie erhalten. Was machen Sie damit?

Bönisch: Sicherlich werde ich bald mal ordentlich shoppen gehen. Aber ansonsten wird gespart. Es ist nicht so, dass ich mir sofort einen Wunsch erfüllen müsste.

SPIEGEL ONLINE: Sportlich müssten Sie nach der olympischen Goldmedaille wunschlos glücklich sein.

Bönisch: Das stimmt. Mehr kann ich eigentlich nicht erreichen. Aber ich war Vizeeuropameisterin und Vizeweltmeisterin. Deshalb ist es mein Ziel, auch dort mal ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Und ich will mal schauen, was 2008 in Peking für mich raus springt. Die kommenden vier Jahre will ich auf jeden Fall noch Judo machen.

SPIEGEL ONLINE: Der Olympiasieg hat Ihnen ja auch eine Heiratszusage Ihres Trainers Axel Kirchner beschert. Wie ist da der Stand der Dinge?

Bönisch: Es ging da nur ums Generelle und nicht darum, dass schon eine Woche später geheiratet wird. Wir lassen uns da auch nicht drängen. Aber geheiratet wird, die Frage ist nur wann.