hier die Wettkampfliste der GK -57 kg Die
Ergebnisse des dritten Tages:
Bönisch holt Olympia-Gold
Athen (dpa) - Schon
als 13-Jährige war Yvonne Bönisch ein «Mattenfeger». Als sie überraschend
bei den Kreismeisterschaften 1993 im brandenburgischen Ludwigsfelde
auftauchte und alle ihre Gegnerinnen mit Blitzattacken aufs Kreuz legte,
traute Trainer Axel Kirchner seinen Augen nicht. «Die knallt ja alle meine Stars hin. Die will ich
haben», rief er. Das war der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit beim
UJKC Potsdam, die zehn Jahre später mit olympischem Gold gekrönt werden
sollte. Und nicht nur das: «Jetzt muss ich sie heiraten», verriet Kirchner
mit Freudentränen in den Augen. Seit fünf Jahren lebt der 42 Jahre alte
Diplom-Sportlehrer mit der ersten deutschen Judo-Olympiasiegerin zusammen.
Vor der Abreise nach Athen hatte er ihr die Ehe versprochen, wenn sie Gold
holt: «Das mache ich jetzt gern.» Der Weg bis auf den Olymp war für «Böny», die nun
als «Gold-Böny» gehuldigt wird, allerdings sehr steinig. Ihre größten
Probleme hatte die 23-Jährige mit der Psyche. Ihre Karriere glich noch vor
zwei Jahren einer Achterbahnfahrt. Mal war sie Weltklasse, mal Kreisklasse.
«Sie war unheimlich nervös und flatterhaft, hatte nicht genug
Selbstvertrauen. Sie wollte zu viel und verkrampfte dabei oft», erklärte
Frauen-Bundestrainer Norbert Littkopf das Auf und Ab ihrer noch jungen
Karriere. Es ging sogar soweit, dass frühere Auswahltrainer sie ablehnten.
Doch Littkopf, Chefcoach seit 1992, hatte den Glauben an sie nie aufgegeben. «Yvonne stirbt für Judo», schwört Littkopf. Er habe
noch nie eine vielseitigere, technisch so explosive Sportlerin bestreut.
«Jetzt ist sie so cool, konzentriert. Nichts kann sie offenbar aus der Ruhe
bringen», beschreibt er den Wandel seines Schützlings. «Sie ist eben reifer
geworden.» Yvonne Bönisch gilt heute nicht nur als beste Technikerin im
deutschen Frauen-Team. Selbst Olympiasiegerinnen, mehrfache Welt- und
Europameisterinnen mussten sich auf der olympischen Matte ihrer Perfektion
beugen. «Wie sie alle hingehauen hat - das war der Hammer. Besser geht es
nicht», schwärmte ihr künftiger Ehemann Axel. Um sich den olympischen Traum zu erfüllen, hat sie
gar ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre für ein Jahr unterbrochen.
«Wenn ich etwas mache, dann richtig. Ich wollte gewinnen für Axel, für
meinen Bundestrainer, für meinen Verein und für meine Freunde und Familie»,
sagt die Athletin mit der blonden Stoppelfrisur. Am Ende Ende hatte alle gut
lachen: zehn Mitglieder aus dem Heimatverein, ihre Eltern wie auch ihr
Bruder sahen den glücklichsten Moment im Leben der Yvonne Bönisch live auf
der Tribüne der Ano-Liossia-Olympia-Halle von Athen.
Potsdam (dpa) - Die
Potsdamer Judoka vom Universitäts-Judo und Kampfsportclub (UJKC) Potsdam
liegen sich in den Armen, der Jubel über den Gold-Gewinn ihrer «Böny» ist
schier grenzenlos. «Sie ist hier im Verein aufgewachsen, noch vor ein
paar Tagen hat sie hier trainiert, und nun ist sie die erste deutsche
Olympiasiegerin im Judo - unfassbar», schreit der Vereinsvorsitzende Volkmar
Schöneburg heraus. «Wir sind stolz und umarmen dich», ruft eine
Vereinskameradin unter tosendem Beifall der ersten deutschen Olympiasiegerin
in Athen via Fernsehen zu. Mit ihrem Athen-Triumph hat die 23-Jährige ihren
Karrierehöhepunkt erreicht. Seit ihrem sechsten Lebensjahr hat sie sich dem
Kampfsport verschrieben. Im vergangenen Jahr verpasste Bönisch nur knapp den
Weltmeistertitel, damals auch gegen ihre heutige Finalgegnerin Kye Sun-Hui
aus Nordkorea. Diesmal hat es gereicht. Ganz Brandenburg feiert «seine
Yvonne». Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gratuliert sofort. «Dass
ausgerechnet eine Potsdamerin die lang ersehnte erste Goldmedaille für
Deutschland holt, macht uns stolz. Mit Ihrem Erfolg haben Sie ein weiteres
Mal bewiesen, aus welchem Holz märkische Spitzensportler sind.» Den ganzen Tag hat der Club vor dem Fernseher
mitgefiebert. «An Training war nach den ersten Siegen nicht mehr zu denken»,
sagt Schöneburg. Mit jedem Rundensieg stieg der Glaube an Gold in Potsdam.
«Wir sind immer mehr geworden, und als Vizeweltmeisterin war sie eine der
Top-Favoriten. Aber das es geklappt hat, ist einfach Wahnsinn», sagt der
Vereinschef. Vater des Erfolgs ist Trainer Axel Kirchner. «Er
hat sie auf den Punkt topfit gemacht und sie hat ihre Explosivität im Kampf
fantastisch umgesetzt.» Am Telefon erhält Kirchner die Glückwünsche aus
Potsdam und lobt vor allem die taktische Disziplin, die schließlich «Böny»
zur «Gold-Böny» gemacht hat. «Sie hatte mit der Koreanerin noch eine
Rechnung offen und hat all ihr Können und ihre Zielstrebigkeit umgesetzt»,
sagt der Trainer dem Vereinschef ganz nüchtern aber grenzenlos glücklich.
Stimmen zum ersten Deutschen
Olympiasieg in Athen:
Klaus Steinbach (deutscher Chef de Mission): «Ich spüre Freude und
Erleichterung. Es hilft ein wenig, den Erwartungsdruck zu reduzieren. Der
Knoten ist geplatzt, das gibt Auftrieb.» Bundespräsident Horst Köhler (in einem
Glückwunschtelegramm): «Mit Ihnen freut sich ganz Deutschland. Mit diesem
überragenden Erfolg haben Sie sich in die Annalen der Olympischen Spiele
eingeschrieben und einen herausragenden Beitrag zur Leistung der deutschen
Mannschaft bei der Olympiade in Athen geleistet. Dafür danke ich Ihnen!» Peter Frese, Präsident des Deutschen Judo-Bundes
(DJB): «Das gibt es doch gar nicht. Einfach unglaublich. Unser Ziel von zwei
Medaillen haben wir jetzt schon erreicht. Vielleicht können wir noch ein
bisschen nachlegen.» Mario Kummer, Teamchef der deutschen Straßenfahrer
(Rad): «Das gibt Auftrieb für alle Sportler, egal welcher Disziplin. Schön,
dass es jetzt so gut los gegangen ist.» Nicolas Kiefer (Tennis): «Es geht doch. Man muss
nur die Ruhe bewahren. Ich habe mich riesig gefreut, vor allem, weil es eine
Sportlerin aus einer Sportart ist, von der man es nicht erwartet hat.» Wolfgang Willam, Teamchef der deutschen Turner:
«Ich finde es toll, dass der Knoten für das deutsche Team endlich geplatzt
ist. So muss es weitergehen.» Holger Schmezer, Dressur-Bundestrainer:
«Donnerwetter, die sind ja super. Die Judoka haben ja schon die zweite
Medaille gewonnen. Das ist gut für uns alle.» Paul Forschbach, Präsident des Deutschen
Boxsport-Verbandes (DBV): «Toll, dass der Bann endlich gebrochen ist. Ich
hoffe, die erste Goldmedaille für Deutschland setzt ein Signal für die
kommenden Wettkampftage. Schön, dass auch einmal eine olympische
Kampfsportart im Rampenlicht der Medien steht. Das ist ja sonst leider
selten genug der Fall.»
Goldmedaille lag auf dem Nachttisch
Athen (dpa) - Vielleicht hat sie zwei Stunden
geschlafen. Genau wusste Yvonne Bönisch das nicht. Jede Viertelstunde sei
sie in der Nacht aufgewacht. In ihrem Kopf brodelte es wie in einem Vulkan.
Immer wieder fragte sie sich: Ist es wahr, dass ich Judo- Olympiasiegerin
bin? Gewissheit brachte der Griff zur Goldmedaille, die auf dem Nachtschrank
lag. Und das Video von ihren fünf Kämpfen, mit denen sie
in der Ano-Liossia Halle von Athen den Olymp erobert hatte. Wie oft sie sich
den Film in der Nacht angeguckt hat, konnte sie nicht sagen. «Ich war
jedenfalls total überwältigt. Ich habe gekämpft wie in Trance. Alles lief
perfekt. Ich brauchte kein Glück, um Olympiasiegerin zu werden», befand die
Potsdamerin am Morgen danach sichtlich geschafft von der ruhelosen Nacht. Entspannt lächeln konnte Deutschlands erste
Olympiasiegerin in Athen auch am Tag nach ihrem historischen Triumph nicht.
Sie sei einfach «zu knülle. Der ganze Rummel, der so plötzlich über mich
hereinbrach wie ein Hurrican», war einfach zu viel», warb die
Leichtgewichtlerin für Verständnis, dass sie ihre Freude nicht wirklich
zeigen kann. Von der Siegerehrung zur Dopingkontrolle, weiter zum ZDF, vor
dort ins Deutsche Haus, nach Mitternacht noch ins ZDF-Sonderstudio auf die
Akropolis. Im Schlepptau ihre Eltern und ihr Bruder, die mit einem Wohnmobil
nach Athen reisten, und zehn Mitglieder aus ihrem Heimatverein UJKC Potsdam.
Posieren für die Fotografen. Interviews über Interviews. Und dabei immer
wieder die Frage: Wann heiratet sie ihren Trainer und langjährigen Freund? Dass Axel Kirchner sein vor den Spielen abgegebenes
Versprechen, Yvonne zu ehelichen, wenn sie Gold gewinnt, einlösen wird,
steht fest. Doch über den Termin hat die 23-Jährige mit ihrem 18 Jahre
älteren Partner noch nicht gesprochen. Darüber wollte er in der Nacht des
größten Erfolges seiner künftigen Frau nicht nachdenken. «Schöner als der
heutige Tag kann unsere Hochzeit auch nicht werden», meinte Kirchner, der
Yvonne Bönisch als 13-Jährige bei einer Kreismeisterschaft in der
brandenburgischen Landeshauptstadt entdeckt hatte und sie sogleich zur
Sportschule nach Potsdam lotste. Die schüchterne Teenagerin ließ sich nicht
zwei Mal bitten und verließ wenige Wochen später ihre Geburtsstadt
Ludwigsfelde.
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