Alter schützt vor Judo nicht!
Das ist Sportgeschichte!
Einer der erfolgreichsten Nachwuchstrainer der Welt begibt sich mit
87 Jahren wieder auf die Matte: Willi Lorbeer, der einst Weltklasse-
Judoka wie Dietmar Hötger oder Karl-Heinz Lehmann in der DDR
ausbildete.
Der Name Willi Lorbeer wird noch
heute von bekannten Judoka wie Dietmar
Hötger oder dem Olympia-Dritten von 1980 Karl-Heinz Lehmann und vielen
anderen mit höchster Achtung vor ihrem einstigen Nachwuchstrainer genannt.
Wer jedoch glaubt, mit 87 Jahren einen alten, gebrechlichen Mann vor sich zu
haben, der irrt gewaltig!
Willi Lorbeer hält seine
Lebensmaxime, sich dem Sport in aktiver Form zu
verschreiben, auch noch im hohen Alter aufrecht.
Täglich läuft er – manchmal auch
mehrfach – die Treppen über 4 Etagen bis
zu seiner Wohnung im Eilschritt. „Ich will ja später nicht nur aus dem Fenster
schauen müssen!“ so seine Motivation.
Auch sonst scherzt er: „Ich kann besser laufen als gehen“ und läuft los auf
seine (fast) allmorgendliche Runde.
Im vergangenen Jahr zur Eröffnung der
neuen Judo-Halle in Strausberg – einer
seiner früheren Wirkungsstätten – hatte es schon einige Überzeugung gekostet,
Willi noch einmal für einen öffentlichen Auftritt in den Judo-Anzug zu
komplimentieren. Wie stolz der Träger des 8. Dans aber letztendlich dann doch
darauf war, kann man noch heute an den strahlenden Augen erkennen, wenn er
darüber erzählt.
Vor einem dreiviertel Jahrhundert hat
Willi Lorbeer mit dem Judo-Sport
begonnen. Damals noch unter freiem Himmel. Nicht ohne Stolz berichtet er,
wie er damals in den dreißiger Jahren so manche Trainingseinheit auf der Matte
gemeinsam mit dem später so bekannten Werner Seelenbinder absolvierte.
Nach dem Krieg als Übungsleiter,
Sportlehrer und Trainer in Leipzig, Döbeln
und besagtem Strausberg tätig, übernahm er 1967 bis zur seiner Rente im Jahr
1980 die Funktion des Nachwuchs-Verbandstrainers der DDR.
Und er war einer der erfolgreichsten Nachwuchstrainer der Welt!
In den 13 Jahren seines Wirkens hat
er 16 Jugend-Europameister geformt!
Von jeder Europameisterschaft brachten seine Schützlinge mindestens einen
Titel nach Hause, mit dem Höhepunkt Leningrad 1971, wo seine Sportler
vier von fünf Titeln errangen.
Auch heute noch verfolgt Willi
Lorbeer die Entwicklung im Judo mit viel
Aufmerksamkeit. Viel hat er von seinen Idealen an seine Sportler weitergegeben.
Einige seiner einstigen Schützlinge
sind in seine Fußstapfen getreten und heute
selbst erfolgreiche Trainer. Karl-Heinz Werner, Jugendeuropameister 1967,
heute Trainer des Junioren-Weltmeisters von 2000, Thomas Pille und des
Deutschen Vize-Meisters JC 90 Frankfurt (Oder), Wolfgang Zuckschwerdt,
Trainer unserer erfolgreichen
Schwergewichtlerin Sandra Köppen oder unser
früherer Männer-Nationaltrainer Dietmar Hötger sind beredte Beispiele dafür.
Willi Lorbeer zieht es immer wieder
zu Judo-Veranstaltungen insbesondere in
Strausberg, um sich vor allem mit seinen alten Freunden und Sportlern zu
treffen.
So verewigte er sich im Rahmen eines Wettkampfes Anfang des Jahres auch auf
der marmornen Sponsorenwand für die
Strausberger Halle.
Selbst noch einmal Judo zu betreiben hätte er sich sicher kaum noch träumen
lassen, obwohl er bis etwa zum 70. Lebensjahr ehrenamtlich als Trainer arbeitete.
Was aber aus einer launigen Idee bei
besagter Veranstaltung in Strausberg
geboren wurde, fasziniert dann doch.
Regelmäßig treffen sich seitdem die
Trainingskameraden von einst zur
gemeinsamen sportlichen Betätigung. Fußball, Gymnastik, aber auch Judo
stehen dabei auf der Tagesordnung. Sogar eine Dan-Prüfung ist in Vorbereitung!
Und wie könnte es anders sein, die
fachkundige Anleitung übernimmt natürlich
wie früher auch Willi Lorbeer als Trainer.
Der öffentliche Auftritt im
vergangenen Jahr im Judo-Anzug auf der Tatami war
jedoch wirklich ein besonderes Ereignis, sicher auch als Dankeschön für die
liebevolle und emotionale Gestaltung der Eröffnungsveranstaltung einer
wunderschönen Halle, von der Willi Lorbeer vielleicht so manches mal selbst
geträumt haben mag.
Birgit Arendt
Pressereferentin BJV
veröffentlicht im Judo-Magazin 07/2002